Andreas Diefenbach, Tina Kohlmann
AS ABOVE SO BELOW - SCHAUFLATTERN
11.02. - 22.04.2022
Tina Kohlmann und Andreas Diefenbach kennen sich schon lange und was die beiden unter anderem verbindet ist eine große Liebe zu Gegenkulturen, zu Welten die mehr verheissen als schnelle Belohnungen und bodentiefe Fenster mit Parkett. Sowohl in den Malereien von Andreas als auch in den Skulpturen und Objekten von Tina spürt man stets eine Sehnsucht nach Außerweltlichem, nach Magie, nach einer Welt, die nicht so berechnend und kalt ist, wie unsere.
„Opt out-drop in“ heisst die neue Serie von Malereien, die Andreas für die Ausstellung bei MTGAIA gemalt hat und genau darum geht es eben: Raus hier und rein da. Denn da ist es anders, offener, beweglicher, und da wohnen Wesen und Geister, die hier verscheucht wurden.
Es gibt einen sehr guten Zeichentrickfilm aus dem Jahre 1982, der heisst „The Flight of Dragons“. Zu Beginn des Films sieht man, wie der Zauberer Carolinus versucht einen Haufen ruppiger und grobschlächtiger Müller durch einen Zauberspruch dafür zu strafen, daß sie mit ihren ungesicherten Mühlrädern eine Gruppe junger Schwäne in tödliche Gefahr bringen, doch sein Zauber ist schwach geworden. Magie wurde verdrängt durch Ratio. Verspottet und belacht muss er sich geschlagen geben. Es bleibt nur eins, der Rückzug in ein verstecktes Reich der Magie. Für immer verborgen vor den Menschen, die einfach nicht mehr an seine Fähigkeiten glauben.
Das hätte eigentlich ein Dokumentarfilm sein können, denn tatsächlich: Magie ist in unserer Welt länger schon nicht mehr alltäglich. Inzwischen heisst immer noch alles mögliche „Magie“, das Meiste davon ist Quatsch und Bauernfängerei - aber eben nicht Alles. Es gibt zum Glück auch eine Liebe zur Magie, zum Verborgenen und Unerklärlichen, die fernab der kommerziellen und ideologischen Angebote die Zeiten überdauert hat. Diese Magie muss man nicht in teuren Kursen bei selbstentflammten Erleuchteten lernen und sie hat auch nichts mit Verschwörungen oder esoterischer Selbstoptimierung zu tun. Diese Jahrtausende alte Magie durchzieht die Welt einfach so, man merkt das beim Spazierengehen im Wald oder beim Blick in die Sterne. All diese klassischen großen Dinge, das Meer, der Weltraum, Berge, die Welt an sich, wer darin keine magische Kraft erkennt, hat den Schuss nicht gehört.. Ohne ein Gehör für das Lied in allen Dingen steht der Mensch in trostloser Einsamkeit. Und wird wahrscheinlich bitter. Muss doch nicht sein.
Tina und Andreas haben die Ohren an der unsichtbaren Wand und lauschen den Dingen dahinter. Beide entwerfen Bilder voller Bezüge auf die Geschichte des Transzendenten, nonkonfessioneller Spiritualität und inklusive Gegenwelten. In Tinas neuer, auch speziell für MTGAIA entworfenen Skulpturengruppe stehen drei ihrer seltsamen und fantastischen Wesen in einer klassischen Trias um ein Gefäss. Drei Figuren, das kennt man aus vielen monotheistischen Religionen, aber auch von den drei Hexen von Macbeth, den griechischen Moiren und unzähligen paganistischen Religionen der Vorzeit. Zu Dritt wird hier etwas gebraut oder zelebriert, denn erst zu dritt wird es gelingen, das ist so. Doch nicht nur der vermeintliche Inhalt des zu brauenden Tranks ist von geheimnisvoller Beschaffenheit, die den Trank brauenden Figuren, die an Ritualmasken, Götterfiguren oder außerweltliche Wesen gemahnen, sind zudem aus besonderen Stoffen gefertigt. Mit Zähnen aus Kyanit und Zungen aus Fischleder sind sie rein materiell schon von alchemistischer Qualität. Diese Wesen entstammen eines Wissens um Mythologie, Ur-Religionen und Überlieferungen, die Tina seit vielen Jahren in Expeditionen rund um die Welt sammelt. Sie überträgt sie für uns in Bilder, die einem zugleich bekannt und fremd erscheinen, einfach und kompliziert, lustig und schauerlich. Denn sie sind zwischen den Dingen und sprechen eine andere Sprache.
Und so geht es auch mit den Malereien von Andreas. Sein Malprozess erinnert an eine von Tinas Expeditionen. Zuerst einmal bildet er am Computer einen visuellen Grund, eine collagierte Sammlung von Bildern und Momenten, die wie die Vorbereitung für eine Reise sind. All dieses Material werden zum Abfahrtshafen und zur offenen See, denn auf ihnen basiert alles, was nun malerisch folgt. Ich stelle mir das vor, wie das hochaufmerksame und zugleich weggetretene Versinken, das man als Kind beim Spielen erleben konnte. Erwachsene nennen das „Flow“ und es ist ziemlich toll, in so einem „Flow“ zu sein. Man ist zugleich da und nicht da, lässt sich gezielt von etwas absorbieren, ist dabei aber hochaktiv. Das ist nicht weit weg von einer Trance und wer mal im „Flow“ war weiss, daß man dabei irgendwie in „einer anderen Welt“ ist. In so einen Flow kommt Andreas wenn er beginnt, die bedruckte Grundfläche der Bilder zu übermalen. So wie Aster Jorn vor langer Zeit alte Flohmarktbilder als Grundlage seiner Malerei nutzte, so schafft sich Andreas mit den digitalen Collagen, die unter seinen Bildern schlummern und an nebelhaft sich lichtenden Stellen hervorscheinen. Eine Welt, die er im Malen instinktiv erweitert, diffundiert, zieht, schiebt und in feinen Schichten überdeckt und auflöst. So wie ein magischer Grund und eine fluide Realität die sich folgerichtig daraus ergibt.
In Hallein kombinieren Andreas und Tina ihre Arbeiten zu einem gemeinsamen Display. Also aufgepasst. Man weiss ja, das der Untersberg einiges an mystischen Geschichten zu bieten hat und es wäre kein Wunder, wenn sich in mancher Nacht ein paar seltsame Dinge um ein Schaufenster in Hallein zutragen, die niemand beweisen kann.
Text: Claus Richter